MTB-Fahrtechnik "Rund durch die Kurve"
Ein Fahrtechnik-Tutorial zum Thema Kurven fahren auf Tour!
beschreibt Elke -
aber: Wer ist Elke ?
Elke Rabeder
Als langjähriger MTB-Guide kennt Elke Rabeder die Gegend rund um Bad Goisern fast besser als ihre Trikot-Tasche. Als 2-fache österreichische Mountainbike-Downhill-Meisterin ist sie nicht nur mit viel Federweg unterwegs, sondern liebt es, ihre Kondition in der vielleicht schönsten Gegenden auf Vordermann zu bringen. Besondere Plätze, tolle Ausblicke und spezielle Landschaften haben es ihr ebenfalls angetan.
Was wäre ein Weg/eine Straße ohne Kurven? Unvorstellbar geradlinig und langweilig, oder? Doch Kurven machen nur Spaß, wenn man weiß was zu tun ist. Darum beschäftigen wir uns heute etwas genauer mit den schönen Rundungen. Sieht man mal von einer asphaltierten Straße ab, unterscheidet man offene (flache), hängende und überhöhte Kurven; sogenannte Anlieger bzw. Steilwandkurven. Dabei treffen wir auf die verschiedenartigsten Untergründe: vom extrem losen Schotter, über Waldboden bis hin zum festgefahrenen „Dirt- Untergrund“ (feinster Sand).
Eine besondere Art von Kurven sind Spitzkehren. Sie sind enge V-förmige Wegverläufe, die teils so eng sind, dass sie mit normaler Kurventechnik nicht mehr fahrbar sind. Das verlangt dann die Technik des Umsetzens, auf das wir heute noch nicht näher eingehen. Doch nun zu den häufigsten, auf Tour und im Trail auftretenden Kurven.
Was gilt es zu beachten?
Im Fahren gilt es oft blitzschnell zu entscheiden, um welche Art von Kurve es sich handelt und welcher Untergrund uns erwartet. Je nachdem wählen wir unsere Linie, die Geschwindigkeit und die anzuwendende Kurventechnik.
Linienwahl
- Bei offenen (und hängenden) Kurven: Außen – innen – außen
Mit dieser Orientierungshilfe schaffst du den größtmöglichen Radius einer Kurve; somit kann sie am schnellsten und sichersten gefahren werden. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Kurve „einsichtig“ ist, du nicht mit Gegenverkehr rechnen musst und der Untergrund optimal ist. Oft kann man Spurrinnen als Anlieger nutzen; grobes Geröll oder tiefe Wasserrinnen sollte man dagegen umfahren. Besonders bei Kurven im Gelände muss man bei der Wahl seiner Linie auch die Bodengegebenheiten berücksichtigen.
- Anlieger/ Steilwand-Kurven: Außen rein – Mitte raus
Beim Einfahren in die überhöhte Kurve orientierst du dich schon frühzeitig am äußeren Drittel. Je nach Geschwindigkeit legst du deine Line fest. Je schneller du fährst, desto höher bist du im Anlieger! Auf der „letzten Rille“ sollst du allerdings nicht fahren – die Gefahr, dass man oben drüber „schießt“, ist zu groß. Keinesfalls solltest du zu spitz zum Scheitelpunkt der Kurve fahren; du müssest sonst nachsteuern bzw. bremsen, oder fliegst aus der Kurve.
Optimal wäre es beim Kurvenausgang in der Mitte des Anliegers raus zu kommen, um schon bald wieder die Grundposition einnehmen zu können.
Blicktechnik: Schaue immer dorthin, wo du hinmöchtest
Entscheidend ist der Kurvenradius, den man schon beim Anfahren in der Grundposition richtig einschätzen muss. Mit einem kurzen Blick zum Kurvenende scannt man das Gelände. In der Regel fährt man die Kurve am äußeren Rand an, Blickpunkt ist jetzt der Scheitelpunkt, zieht zum Scheitelpunkt nach innen und schaut dabei schon zum Kurvenausgang. Bei übersichtlichen, engen oder überhöhten Kurven (z.B. im Singletrail, Bikepark) kann auch sofort der Kurvenausgang anvisiert werden.
siehe Foto: Kurz nach dem Scheitelpunkt dieser Schotterkurve geht der Blick zum Kurvenausgang bzw. zur nächsten Kurve
Dabei ist es wichtig einen Punkt am Trail zu fixieren und nicht etwa den daneben stehenden Baum oder Stein anzuschauen… auf den würde man nämlich in diesem Fall zusteuern. Je schneller du bist, umso weiter musst du nach vorne schauen!
Geschwindigkeit anpassen – Finger weg von der (Vorder-) Bremse!
Ganz nach dem Motto „Langsam rein – schnell raus!“ sind bei Kurven die Bremsen einzusetzen! Die optimale Geschwindigkeit, mit der du die Kurve fahren möchtest, solltest du bereits beim Kurveneingang haben. Spätestens beim Umlegen bzw. Einlenken des Bikes: keine Vorderbremse mehr! Du würdest dadurch deine anvisierte Line nicht halten können oder im schlechtesten Fall wegrutschen und eine Bodenprobe nehmen.
Mit der Hinterradbremse kannst du noch minimal korrigieren (oder etwas dazu bremsen, wenn es das Gefälle verlangt) - aber nur mit ganz viel Gefühl. Ansonsten blockiert gleich mal das Hinterrad und man kommt ins Schleudern. Ein triftender Reifen ist meist nicht die schnellste Variante eine Kurve zu meistern
Körperposition
Verlagere deinen Schwerpunkt nach unten, aber immer zentral über dem Bike! Je tiefer der Schwerpunkt liegt, umso schneller kannst du die Kurve nehmen.
Darum wechsle von der Grundposition in eine etwas aktivere Haltung, die „Aktivposition“:
- Ellbogen werden gebeugt und zeigen weit nach außen
- Knie sind ebenfalls gebeugt
- Brust geht Richtung Lenker
- Fersen sind leicht abgesenkt
- Körperschwerpunkt ist tief, aber immer noch über dem Tretlager
Zusätzlich verlagerst du den Schwerpunkt auf das äußere Pedal.
Keinesfalls solltest deinen Körperschwerpunkt nach hinten verlagern! Das würde das Vorderrad entlasten und du hast Einbußen deiner Traktion. Daher immer über dem Tretlager sein bzw. mittig im Rad stehen!
Pedalstellung: besser senkrecht als waagrecht
Grundsätzlich ist eine waagrechte Pedalstellung nicht falsch, solange man es schafft, das Bike mit dem nötigen Winkel in die Kurve zu kippen. Ich finde jedoch, dass eine senkrechte Pedalstellung (ein Pedal ist oben) gewisse Vorteile mit sich bringt:
Wenn du das äußere Pedal unten hast, bringt dir das mehr Bewegungsfreiheit und du kannst das Bike noch besser in die Kurve „Reindrücken“. Einerseits kann man dadurch mehr Druck auf die (innenliegenden) äußeren Reifenstollen erzeugen und ein Plus an Traktion gewinnen; andererseits reduziert sich die Gefahr des Hängenbleibens mit dem inneren Pedal.
Das Bike in die Kurve drücken!
Um der in der Kurve wirkenden Zentrifugalkraft entgegen zu wirken, muss das Gewicht zum Kurveninneren gebracht werden. Das geschieht entweder durch LEGEN oder DRÃœCKEN:
DRÜCKEN – Du drückst das Rad in die Kurve (von dir weg) und bleibst selbst zentral darüber. Dabei ist der innere Arm fast gestreckt - Kopf, Schultern und Hüfte gehen in Richtung Kurveninneres. Diese Körperteile folgen quasi der anvisierten Line. Wichtig: Blick zum Kurvenausgang!
siehe Foto: Wie das Bike in die Kurve gedrückt wird, sieht man hier in der leicht hängenden Offroad-Kurve
Bei der Legetechnik legt man sich samt Rad in die Kurve - Körper und Rad bilden eine Linie. Dies ist jedoch nur auf festem Untergrund oder in gut gebauten, überhöhten Kurven möglich. Auf losem Untergrund, wie z.B. in Schotterkurven darf keinesfalls diese Technik angewandt werden, da man sonst wegrutscht.
Anlieger Kurve
Auch wenn der Anlieger zu wenig steil oder eher eng ist, würde ich dir zum „Drücken“ raten. Das Gewicht ist aber sowohl beim Drücken, als auch beim Legen am äußeren Pedal.
Bike zum Kurvenausgang rechtzeitig aufrichten! Das hat den Vorteil, dass du gleich wieder die Grundposition einnehmen kannst und für den nächsten Move bereit bist. Wer zum Kurvenausgang noch etwas mehr Schwung mitnehmen möchte, probiert durch Streckung der Arme und Beine noch zusätzlich zu Pushen.
Elkes Tipps
- Sattel nach unten: gibt dir die nötige Bewegungsfreiheit
- Senke Deinen Schwerpunkt durch Beugen der Knie und Ellbogen (Aktive Haltung) – Gewicht ist über dem Tretlager; nicht nach hinten gehen
- Geschwindigkeit vor der Kurve reduzieren! Bremsen frühzeitig lösen, bringt dir viel Geschwindigkeit und Flow.
- Optimale Linienwahl: außen anfahren, nicht zu früh einlenken. Die angemessene Geschwindigkeit am Kurveneingang zu finden und zum richtigen Zeitpunkt in die Kurve einzulenken, verlangt einiges an Erfahrung, bekommt man aber in den Griff.
- Richtige Blicktechnik: Gelände und Radius der Kurve scannen, Blick über die Schulter (zum Scheitelpunkt und anschließend zum Kurvenausgang). Muss am Scheitelpunkt nachgesteuert oder –gelenkt werden, ist es ein Fehler der Linienwahl oder der Blicktechnik.
- In die Kurve drehen: Der Drehung des Kopfes folgen die äußere Schulter, die Hüfte und das äußere Knie.
- Senkrechte Pedalstellung! Das Gewicht befindet sich am äußeren, nach unten gerichteten Pedal (mit Belastung der Ferse).
- Lehne/Drücke nur dein Bike in die Kurve (nicht deinen Körper selbst). Der innere Arm ist fast gestreckt und stabilisiert, der äußere übt Druck am Lenker aus.
- Rechtzeitiges Aufrichten des Bikes. Eventuell noch zusätzliches Pushen (durch Strecken der Knie) am Ende der Kurve!
Und der allerbeste Tip zum Schluß:
Urlaub im Landhotel Agathawirt verbinden mit einem 1-tägigen Fahrtechnik-Training für Biker und E-MTB-Biker !